Wir befinden uns im sonnigen Apulien, ganz im Süden Italiens, direkt an der Adriaküste. Man hört das sanfte Rauschen des Meeres im Hintergrund, die salzige Brise streift über die Haut – und überall um uns herum: Pflanzen, die in dieser rauen, aber atemberaubend schönen Umgebung nicht nur überleben, sondern richtig gedeihen. In dieser typischen Küstenregion wachsen Pflanzen, die perfekt an die extremen Bedingungen des Mittelmeeres angepasst sind. Hier, nur 20 bis 30 Meter vom Wasser entfernt, trotzen sie den salzigen Winden und dem geringen Niederschlag. Die Natur hat sie so geformt, dass sie wirken, als hätte ein unsichtbarer Gärtner sie in Form geschnitten – das perfekte Zusammenspiel der Elemente.
Bevor wir die einzelnen Pflanzen kennenlernen, ist es wichtig zu verstehen, was diese Standorte so besonders macht. Der Boden ist hier meist alkalisch mit pH-Werten zwischen 7,5 und 8,5, stark durchlässig und oft steinig-sandig. Die Salzkonzentration in der Luft kann in Küstennähe bis zu 20-mal höher sein als im Inland. Die jährliche Niederschlagsmenge liegt bei nur 400-600mm, wobei der Großteil davon im Winter fällt. Im Sommer können die Temperaturen auf über 35°C steigen, während sie im Winter selten unter 5°C fallen. Diese Bedingungen haben im Laufe der Evolution wahre Überlebenskünstler hervorgebracht.
Als Landschaftsarchitekten sind wir stets auf der Suche nach Pflanzen, die zukunftstauglich sind: robust, trockenheitstolerant und dennoch anpassungsfähig an die teils extremen Wetterverhältnisse des Mittelmeerraums. Hier, wo Sommermonate oft heiß und regenarm sind, gefolgt von plötzlichen und intensiven Regengüssen, braucht es echte Überlebenskünstler. Genau solche haben wir hier gefunden – Pflanzen, die seit Jahrhunderten in dieser Region gedeihen und durch ihre Anpassungsfähigkeit faszinieren.
Die Echte Myrte (Myrtus communis), auch als Brautmürte bekannt, ist ein Klassiker in mediterranen Gärten. Dieser immergrüne Strauch steht für Reinheit und Schönheit und passt sich perfekt an die harschen Küstenbedingungen an. Ihre dichten, glänzenden Blätter strahlen selbst nach Monaten ohne Regen noch in sattem Grün. Kein Wunder, dass sie schon seit der Antike in Gärten und Parks geschätzt wird.
Ein wahres Wunder der mediterranen Flora ist die Pistacia lentiscus, auch bekannt als Mastixstrauch. Diese Pflanze kann bis zu sieben Jahre ohne Wasser überleben und wächst trotzdem gesund und kräftig. Sobald es endlich regnet, saugt sie das Wasser förmlich auf, wächst blitzschnell und zieht sich dann wieder zurück, bis der nächste Regen kommt. Diese unglaubliche Anpassungsfähigkeit macht sie zur perfekten Wahl für nachhaltige Gärten und Projekte mit minimaler Bewässerung.
Direkt neben der Myrte findet man die Steinlinde (Phillyrea spp.), ein weiterer robuster Strauch aus der Familie der Ölbaumgewächse. Ihre dichten, lederartigen Blätter trotzen selbst den stärksten Winden und geben dieser Pflanze eine fast unzerstörbare Widerstandskraft. Typisch für mediterrane Küstenlandschaften, bleibt sie auch in trockenen Sommern frisch und vital. Die Steinlinde lässt sich hervorragend als Hecke oder Formgehölz nutzen. Für eine dichte Verzweigung empfiehlt sich ein leichter Formschnitt im Frühjahr. Staunässe sollte unbedingt vermieden werden – lieber zu trocken als zu nass. Bei starker Sommerhitze dankt sie einen gelegentlichen Wasserguss am frühen Morgen mit besonders glänzendem Blattwerk.
Auch der Wacholder (Juniperus spp.) fühlt sich in dieser Region wohl. Ob als kleiner Strauch oder als majestätischer Baum – er ist nicht nur schön anzusehen, sondern auch nützlich. Seine aromatischen Beerenzapfen werden oft für die Herstellung von Gin verwendet, und seine Anpassungsfähigkeit an salzhaltige Luft und raue Böden macht ihn zu einem weiteren Highlight der mediterranen Flora. Um sein Wachstum optimal zu fördern, sollte der Standort vollsonnig und der Boden durchlässig sein. Ein Rückschnitt ist nur bei starkem Wildwuchs nötig, am besten im späten Winter. Besonders wichtig: In den ersten zwei Jahren nach der Pflanzung regelmäßig gießen, danach ist der Wacholder praktisch pflegefrei.
Zwischen den dichten Sträuchern und robusten Bäumen findet man das grazile Stipa tenuissima, ein feines Ziergras, das in der Landschaftsgestaltung gern verwendet wird. Mit seinen federleichten Halmen, die sich sanft im Wind wiegen, verleiht es jeder Landschaft eine gewisse Leichtigkeit und Bewegung. Besonders in trockenen Gebieten ist dieses Gras eine wahre Bereicherung.
Ein weiteres Juwel der mediterranen Pflanzenwelt ist die wilde Olive (Olea europaea var. sylvestris). Als Vorläufer der kultivierten Olive hat sie sich seit Jahrtausenden an die extremen Bedingungen angepasst und trotzt Wind, Sonne und Trockenheit. Die kleinen Früchte dieser Pflanze sind zwar nicht so groß wie die ihrer kultivierten Verwandten, doch sie eignet sich hervorragend als dekoratives Element in Gärten und Landschaften. Sie ist ein Symbol für Widerstandskraft und Langlebigkeit – und ein Stück lebendiger mediterraner Geschichte.
Die vorgestellten Pflanzen lassen sich wunderbar miteinander kombinieren. Als Grundgerüst eignen sich die größeren Gehölze wie wilde Olive und Wacholder, die Windschutz und Struktur bieten. Davor gruppiert man mittelhohe Sträucher wie Myrte und Steinlinde in kleinen Gruppen. Die Zwischenräume werden mit dem Mastixstrauch gefüllt, während das Stipa-Gras als verbindendes Element die Übergänge weich gestaltet. Wichtig ist dabei, den Pflanzen genügend Raum zu geben – sie werden mit den Jahren in die Breite wachsen. Als Faustregel gilt: Die Pflanzabstände sollten etwa zwei Drittel der erwarteten Endbreite betragen.
All diese Pflanzen sind nicht nur faszinierend wegen ihrer Schönheit und Anpassungsfähigkeit, sondern auch wegen der Art, wie sie von der Natur selbst geformt werden. Der Wind spielt hier die Rolle des Gärtners und formt die Pflanzen in natürliche "Bubbles", die wie von Hand geschnitten wirken. Was man hier sieht, ist eine Landschaft, die gleichzeitig wild und geordnet erscheint – ein perfektes Zusammenspiel der Elemente.
Ein lebendiges Beispiel für Anpassungsfähigkeit
Diese Vielfalt an Küstenpflanzen zeigt eindrucksvoll, wie sich die Natur an extreme Bedingungen anpassen kann. Sie sind die perfekte Wahl für naturnahe, nachhaltige Projekte und ein wahres Geschenk für jeden Landschaftsarchitekten, der die Schönheit und Widerstandsfähigkeit der Natur in seinen Entwürfen vereinen möchte.
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